Yoga der Ernährung
Reihe Izvor, Band 204
Reihe Izvor, Band 204
Um dieses Buch lesen zu können, sind keine Yoga-Kenntnisse nötig. Es vermittelt eine neue Einstellung zu der Art und Weise, wie man isst, statt das Hauptaugenmerk auf die Art der Nahrung zu legen. Aivanhov sagt: "Wenn wir essen, lösen wir Nahrungsmittel in Energie auf. Wenn wir das bewusst und voller Liebe tun, öffnet sich die Nahrung wie eine Blume und schenkt uns ihre feinsten und lichtvollsten Teilchen."
ISBN: 978-3-89515-041-8
Maße: 11 x 18 cm
Seiten: 152
Papier: 100g Offset weiß
Rückentext:
»Millionen von Jahren bevor den Physikern die Atomspaltung gelungen ist, haben die Menschen sie jeden Tag in ihrem eigenen Organismus verwirklicht. Und das setzen sie fort, weil die Ernährung nichts anderes ist als ein Vorgang, bei dem Materie gespalten wird.
Essen, das heißt lernen, die Materie aufzulösen und die dadurch gewonnene Energie an alle Organe zu verteilen: an die Lungen, das Herz, das Gehirn... Das langsame und gute Kauen der Lebensmittel ist die erste Stufe dieser Auflösung. Die zweite Stufe ist die Arbeit mit den Gedanken. Sie können wie ein Strahl, der alles durchdringt, bis in das Herz der Materie geführt werden, wo sie feinste Energien befreien, um die Arbeit der Seele und des Geistes zu unterstützen.«
Omraam Mikhaël Aïvanhov
Leseprobe:
Kapitel 1
Die Ernährung betrifft das ganze Wesen
Die Frage der Ernährung ist von höchster Wichtigkeit. Nur sehr wenige, selbst unter den Gebildetsten und Fortgeschrittensten, wissen darüber Bescheid. Sicherlich werdet ihr dieses Thema zunächst uninteressant finden, aber wenn ihr mir zuhört und vor allem dann, wenn ihr diese Wahrheiten in die Tat umsetzt, werdet ihr bestimmt einsehen, dass diese Erkenntnisse euer Dasein bereichern, verschönern und verwandeln können.
Nehmen wir einmal an, ihr habt aus irgendeinem Grund mehrere Tage lang keine Nahrung zu euch genommen. Ihr seid derart geschwächt, dass ihr kaum mehr gehen oder euch bewegen könnt. Selbst wenn ihr sehr gelehrt oder reich seid, sind alle eure Kenntnisse und Reichtümer nichts wert im Vergleich zu einem Stück Brot oder einer Frucht, die man euch gibt. Schon beim ersten Bissen fühlt ihr euch neu belebt. Ist das nicht wundervoll? Dieser eine Bissen hat derart viele Mechanismen und Kräfte in euch ausgelöst, dass ein ganzes Dasein nicht ausreichen würde, um sie alle aufzuzählen.
Habt ihr auch nur ein einziges Mal an die Kraft der Elemente gedacht, die in der Nahrung sind? Ist euch schon einmal aufgefallen, dass eine Mahlzeit wirksamer ist als eure Gedanken, eure Gefühle oder euer Wille, um euch wieder auf die Beine zu bringen? Ihr billigt der Nahrung lediglich eine instinktgelenkte, aber keine intellektuelle, bewusste Bedeutung zu, obwohl doch nur sie allein euch Energie und Gesundheit wiedergeben kann. Gerade sie ermöglicht euch das Handeln, Sprechen, Fühlen und Denken.
Die Eingeweihten haben der Erforschung der Ernährung große Bedeutung beigemessen. Sie haben festgestellt, dass die Nahrung, die in den göttlichen Laboratorien mit unsagbarer Weisheit bereitet wird, magische Elemente enthält, welche die physische wie auch die psychische Gesundheit erhalten oder wiederherstellen und zu den höchsten Erkenntnissen führen kann. Um aber diese Elemente nutzen zu können, muss man die dafür nötigen Bedingungen kennen.
Gewiss, man stellt ohne weiteres fest, dass auf der ganzen Welt die Frage der Ernährung an erster Stelle steht. Alle versuchen zuerst einmal, diesen Punkt zu regeln. Sie arbeiten Tag für Tag und kämpfen sogar dafür. Wie viele Kriege und Revolutionen sind alleine aus diesem Grunde ausgebrochen! Diese Haltung gegenüber der Nahrung ist jedoch nur ein Instinkt, den die Menschen mit den Tieren gemeinsam haben. Die spirituelle Bedeutung des Essens haben sie dagegen noch nicht verstanden.
Sie können nicht richtig essen. Beobachtet sie bei den Mahlzeiten. Sie nehmen die Nahrung rein mechanisch und völlig unbewusst auf, schlucken ohne zu kauen, wälzen in ihrem Kopf wirre Gedanken, hegen in ihrem Herzen chaotische Gefühle und oft streiten sie sogar. Auf diese Weise stören sie die Funktionen ihres Organismus. Nichts funktioniert wie es soll, weder die Verdauung und die Sekretion noch die Ausscheidung der Schadstoffe.
Tausende von Leuten machen sich unbewusst durch ihre Ernährungsweise krank. Seht einmal, was sich in den Familien abspielt: Vor dem Essen hat sich keiner etwas zu sagen, jeder hockt in seiner Ecke, der eine liest, der andere hört Radio oder bastelt... Aber sobald sie am Tisch sitzen, haben alle etwas zu erzählen oder wollen sogar miteinander abrechnen. Sie reden, diskutieren und streiten sich. Nach einer solchen Mahlzeit fühlt man sich schwerfällig, schläfrig, muss sich ausruhen oder sogar schlafen, und diejenigen, die sofort wieder an die Arbeit müssen, tun sie ohne Lust und Begeisterung. Wer jedoch richtig zu essen versteht, der ist nach der Mahlzeit hellwach und gut gelaunt.
Ihr fragt: »Aber wie soll man denn essen?« – Ich will euch erklären, wie ein Eingeweihter die Ernährung auffasst. Da er immer versucht, die besten Bedingungen zu schaffen, um die in den Laboratorien der Natur bereiteten Elemente aufzunehmen, besinnt er sich erst einmal, verbindet sich mit dem Schöpfer und vor allem unterhält er sich nicht beim Essen. Er isst in tiefem Schweigen.
Man darf die Stille beim Essen nicht ausschließlich als einen klösterlichen Brauch ansehen.
Ein Weiser, ein Eingeweihter isst schweigend. Wenn er den ersten Bissen nimmt, kaut er ihn so bewusst und so lange wie möglich, bis er ganz zergangen ist. Es ist außerordentlich wichtig, in welchem Zustand man den ersten Bissen zu sich nimmt, denn dieser erste Bissen setzt alle möglichen Mechanismen in uns in Gang. Man muss sich also vorbereiten, um die bestmöglichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Ihr dürft nie vergessen, dass der wichtigste Moment einer Handlung ihr Beginn ist. Er gibt das Signal, das die Kräfte auslöst, die dann nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Wenn ihr in einem Zustand der Harmonie beginnt, läuft auch das Übrige in Harmonie ab.
Man soll langsam essen und gut kauen – das fördert die Verdauung, gewiss, aber es gibt noch einen anderen Grund: Der Mund, der als Erster die Nahrung aufnimmt, ist das wichtigste, das spirituellste Laboratorium des Körpers. Der Mund hat die gleiche Funktion wie der Magen, jedoch auf einer subtileren Ebene; er nimmt die ätherischen Teilchen der Nahrung auf, die feinsten und stärksten Energien. Die groben Stoffe werden an den Magen weitergeleitet.1
Im Mund befinden sich außerordentlich verfeinerte Einrichtungen, und zwar die auf und unter der Zunge liegenden Drüsen, die die Aufgabe haben, die ätherischen Teilchen der Nahrung aufzufangen. Wie oft habt ihr schon folgende Erfahrung gemacht: Wenn ihr ausgehungert wart, keine Energie mehr hattet, habt ihr etwas gegessen... schon die ersten Bissen haben euch wieder fit und munter gemacht, noch bevor die Nahrung selbst verdaut wurde. Wie konnte dies so schnell geschehen? Schon im Mund hat der Organismus Energien und ätherische Elemente aufgenommen, die das Nervensystem versorgt haben. Noch bevor der Magen die Nahrung aufgenommen hat, ist das Nervensystem bereits ernährt.
Ihr dürft euch nicht wundern, wenn ich von ätherischen Elementen spreche, die der Nahrung entnommen werden sollen. Eine Frucht zum Beispiel besteht aus festen, flüssigen, gasförmigen und ätherischen Stoffen. Jeder kennt die festen und die flüssigen Stoffe, aber nur wenige kümmern sich um die viel feineren Duftstoffe, die dem Bereich der Luft angehören. Die ätherische Seite jedoch, die mit den Farben der Frucht und vor allem mit ihrer Lebenskraft verbunden ist, wird vollkommen ignoriert und vernachlässigt. Doch gerade sie ist von größter Wichtigkeit, denn mit den ätherischen Teilchen der Nahrung nährt der Mensch seine feinstofflichen Körper.
Der Mensch besitzt nicht nur einen physischen, sondern noch andere, viel feinere Körper, die Sitz seiner psychischen und spirituellen Fähigkeiten sind (Äther-, Astral-, Mental-, Kausal-, Buddha- und Atmanleib).2 Deshalb stellt sich ihm die Frage, wie er diese feinstofflichen Körper, die durch seine Unwissenheit oft ohne Nahrung bleiben, ernähren soll. Er weiß ungefähr, was er seinem physischen Körper geben muss (ich sage: ungefähr, denn die meisten Menschen essen Fleisch und schädigen damit ihre physische und psychische Gesundheit), aber er ist unfähig, seine anderen Körper zu ernähren: den Ätherleib (oder Vitalkörper), den Astralleib (Sitz der Gefühle und Empfindungen), den Mentalleib (Sitz des Intellekts) und noch viel weniger die anderen höheren Körper.
Wenn ich euch empfehle, die Nahrung gut zu kauen, so bezieht sich dies hauptsächlich auf den physischen Körper. Für den Ätherleib muss man die Atmung hinzufügen. Genau wie die Luft die Flamme entfacht – ihr wisst, dass man blasen muss, um ein Feuer wieder aufflammen zu lassen – ebenso fördern tiefe Atemzüge während der Mahlzeit die Verbrennung. Die Verdauung ist nichts anderes als eine Verbrennung, genau wie das Atmen und das Denken.
Der Unterschied liegt nur im Wärmegrad und in der Reinheit der Materie. Ihr sollt also beim Essen von Zeit zu Zeit innehalten und tief atmen, damit der Ätherleib durch diese Verbrennung der Nahrung die feineren Teilchen entnehmen kann. Da der Ätherleib Träger der Vitalität, des Gedächtnisses und der Empfindsamkeit ist, werdet ihr von seiner guten Entwicklung profitieren.
Der Astralleib nährt sich von Gefühlen und Empfindungen, also von Elementen, die noch feinstofflicher sind als die ätherischen Teilchen. Indem ihr euch der Nahrung einige Augenblicke in Liebe zuwendet, bereitet ihr euren Astralleib vor, ihr noch wertvollere Teilchen als die ätherischen Substanzen zu entnehmen. Wenn der Astralleib diese Elemente aufgenommen hat, kann er die höchsten und erhabensten Empfindungen vermitteln: die Liebe zur ganzen Welt, das Gefühl glücklich zu sein, in Frieden und Harmonie mit der Natur zu leben.
Leider verlieren die Menschen allmählich dieses Gefühl: Sie nehmen den Schutz, die Fürsorge, die Liebe und die Freundschaft der Dinge, der Bäume, der Berge und der Sterne nicht mehr wahr. Sie sind beunruhigt und verwirrt, auch wenn sie bei sich zu Hause in Sicherheit sind. Sogar während des Schlafs haben sie den Eindruck, bedroht zu werden. Dies ist rein subjektiv; in Wirklichkeit sind sie gar nicht bedroht. In ihrem Inneren jedoch ist etwas zugrunde gegangen, sie fühlen sich nicht mehr von der Mutter Natur geschützt, weil ihr Astralleib keine Nahrung erhalten hat.
Wenn ihr euren Astralleib nährt, könnt ihr Gefühle unbeschreiblichen Wohlempfindens erleben, die euch zur Großzügigkeit und zum Entgegenkommen anregen. Bei wichtigen Fragen wird es euch leicht fallen, euch offenherzig und verständnisvoll zu zeigen und nachzugeben.
Um seinen Mentalleib zu ernähren, richtet ein Eingeweihter alle seine Gedanken auf die Nahrung, er schließt sogar die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Da die Nahrung für ihn eine Offenbarung Gottes darstellt, bemüht er sich, sie in all ihren Aspekten zu erfassen: woher sie kommt, was sie enthält, welche Eigenschaften ihr entsprechen, welche Wesenheiten sich mit ihr befasst haben, denn an jedem Baum und an jeder Pflanze arbeiten unsichtbare Wesen.
Indem er seinen Geist auf diese Überlegungen konzentriert, entnimmt er der Nahrung Elemente, die über jenen der Astralebene stehen. Durch sie wird ihm Klarheit zuteil, eine tiefe Durchdringung des Lebens und der Welt. Nach einer so eingenommenen Mahlzeit verlässt er den Tisch mit einem derart klaren Geist, dass er die schwierigste Gedankenarbeit angehen kann.
Die meisten Menschen glauben, dass das Lesen, Studieren und Überlegen genügt, um die intellektuellen Fähigkeiten zu entwickeln. Nein, Studium und Gedächtnistraining sind unentbehrliche, aber unzureichende Aktivitäten. Während der Mahlzeit muss auch der Mentalleib genährt werden, um widerstandsfähig zu werden und längeren Anstrengungen gewachsen zu sein.
Man muss verstehen, dass der Astral- und der Mentalleib Träger der Gefühle und Gedanken sind, und dass diese beiden Körper eine entsprechende Nahrung brauchen, damit der Mensch seine Aufgabe im Bereich des Gemüts und des Intellekts erfüllen kann.
Außer dem Äther-, Astral- und Mentalleib besitzt der Mensch noch andere Körper von spiritueller Essenz, die auch ernährt werden müssen: den Kausal-, Buddha- und Atmanleib, der Sitz von Verstand, Seele und Geist. Ihr nährt sie durch eure Dankbarkeit dem Schöpfer gegenüber. Das Gefühl der Dankbarkeit, das die Menschen immer mehr verlieren, wird euch die himmlischen Tore öffnen, durch die ihr den größten Segen erhalten werdet. Dann wird sich alles vor euch enthüllen, ihr werdet sehen, fühlen, leben! Dankbarkeit kann die grobe Materie in Licht und Freude verwandeln. Also muss man lernen, mit ihr zu arbeiten.
Wenn ihr diese drei höheren Körper ernährt, werden die feinstofflichen Teilchen, die ihr aufgenommen habt, an das Gehirn, das Sonnengeflecht und alle Organe weitergeleitet.3 Dann werdet ihr euch langsam bewusst, dass ihr andere Bedürfnisse habt, Freuden höherer Natur empfindet, und dann bieten sich auch euch viel größere Möglichkeiten.
Nach dem Essen solltet ihr nicht gleich aufstehen und euch auf die Arbeit stürzen, auch nicht ein oder zwei Stunden im Sessel oder auf dem Sofa liegen. Wenn ihr euch hinlegt, um – angeblich – auszuruhen, ruht ihr euch in Wirklichkeit gar nicht aus, sondern werdet schwerfällig und euer Organismus wird träge. Besinnt euch nach der Mahlzeit noch ein wenig und macht einige tiefe Atemzüge. Sie werden für eine bessere Verteilung der Energien im Organismus sorgen. Dann fühlt ihr euch gestärkt und fit für alle möglichen Arbeiten.
Es genügt nicht, die Mahlzeit nur gut zu beginnen, ihr müsst sie auch so gut wie möglich beenden, damit sie den verschiedenen Arbeiten, die auf euch warten, einen guten Start gibt. Ihr dürft nie vergessen, dass jede Aktivität ihren Anfang hat, und dass gerade der Anfang der ausschlaggebende Moment ist.
Kapitel 2
Hrani-Yoga
Momentan suchen viele Menschen, die durch ihr unruhiges Leben aus dem Gleichgewicht gebracht wurden, Mittel und Wege, um ihre innere Harmonie wiederherzustellen; sie betreiben Yoga, Zen, transzendentale Meditation oder lernen, sich zu entspannen. Ich bestreite nicht, dass dies gute Methoden sind, aber ich habe eine einfachere, viel wirksamere Übung gefunden: Essen lernen.
Wenn es einem egal ist, wie man isst, in Lärm, Nervosität, Eile und Diskussionen, was hilft dann Meditieren oder Yoga? Sie sind Theater! Warum sehen wir nicht ein, dass wir alle zwei- oder dreimal täglich Gelegenheit haben, eine Übung zur Entspannung, Konzentration und Harmonisierung all unserer Zellen zu machen?
Bemüht euch, in Ruhe und Stille zu essen (nicht nur zu schweigen, sondern auch keinen Lärm mit dem Besteck zu machen), jeden Bissen lange zu kauen, von Zeit zu Zeit einige tiefe Atemzüge zu machen und euch vor allem auf die Nahrung zu konzentrieren und dem Himmel für all diesen Reichtum zu danken. Ich fordere euch dazu auf, weil diese scheinbar so unbedeutenden Übungen zu den besten zählen, um wahre Selbstbeherrschung zu erlangen.
Die Kontrolle über die kleinen Dinge wird euch die Möglichkeit geben, auch die großen zu beherrschen. Wenn ich jemanden sehe, der nachlässig und ungeschickt in Kleinigkeiten ist, kann ich mir leicht vorstellen, in welchem Durcheinander er in der Vergangenheit gelebt hat, und weiß auch, wie sich alle seine Mängel negativ auf seine Zukunft auswirken werden. Denn alles ist miteinander verbunden.
Gewiss, es ist nicht leicht, während der Mahlzeiten ruhig zu sein, um sich ausschließlich auf die Nahrung zu konzentrieren... Und wenn es einem gelingt, äußerlich ruhig zu sein und seine Gesten zu beherrschen, dann macht man innerlich Lärm...1 Oder wenn es einem gelingt, sich innerlich zu beruhigen, schweifen die Gedanken ab. Deshalb sage ich euch, dass die Ernährung ein Yoga ist, denn richtiges Essen erfordert Aufmerksamkeit, Konzentration und Selbstbeherrschung.
Wenn ihr eure Gedanken während der Mahlzeit konzentrieren wollt, müsst ihr schon im täglichen Leben gelernt haben, sie unter Kontrolle zu bringen. Wenn ihr immer darauf bedacht seid, keine negativen Gedanken und Gefühle zu hegen, schafft ihr gute Bedingungen für die Konzentration, und sie wird ganz einfach. Ihr fragt: »Man muss sich also das ganze Leben lang vorbereiten, um richtig zu essen?« Ja und nein...
Nicht alle Probleme können gelöst werden, nur weil man richtig essen kann. Wir nehmen die Mahlzeiten nur als Ausgangspunkt. Das soll nicht heißen, dass es nichts Wichtigeres gibt und man sich die übrige Zeit gehen lassen darf. Nein, versteht mich nicht falsch. Man soll den ganzen Tag über aufmerksam und umsichtig sein und diese Aufmerksamkeit und Umsicht auch während der Mahlzeit beibehalten.
Eine Mahlzeit ist eine magische Handlung, durch die sich die Nahrung in Gesundheit, Kraft, Liebe und Licht verwandeln soll. Beobachtet euch selbst. Wenn ihr beim Essen aufgeregt, wütend oder empört wart, machen euch den ganzen Tag Verstimmung, Nervosität und Voreingenommenheit zu schaffen. Wenn ihr schwierige Probleme zu lösen habt, neigt sich die Waagschale immer zur negativen Seite. Dann wollt ihr euch rechtfertigen und sagt: »Was willst du, mein Alter, ich kann nichts dafür, ich bin eben nervös!« und nehmt Medikamente, um euch zu beruhigen. Das nützt aber nichts. Lernt lieber essen, um den Zustand eures Nervensystems zu verbessern.
Wenn ihr die Nahrung vor euch habt, müsst ihr alles, selbst die wichtigsten Dinge, beiseite lassen, denn das Wesentliche ist, sich nach den göttlichen Gesetzen zu ernähren. Wenn ihr richtig gegessen habt, wird sich alles Übrige rasch regeln. Richtiges Essen spart viel Zeit und Energie. Bildet euch nicht ein, die Probleme schneller und einfacher zu lösen, wenn ihr aufgeregt und angespannt seid. Im Gegenteil, ihr lasst Dinge fallen, macht unpassende Bemerkungen, stoßt die Leute vor den Kopf und müsst dann tagelang die Schäden wiedergutmachen.
Die meisten Menschen begreifen nicht, dass die geringsten Tätigkeiten des täglichen Lebens von großer Bedeutung sind. Wie soll man ihnen da verständlich machen, dass sie bei den Mahlzeiten Gelegenheit haben, ihre Intelligenz, ihre Liebe und ihren Willen zu entwickeln? Jeder glaubt, dass die Intelligenz durch Studium oder eventuell durch Schwierigkeiten und Prüfungen entwickelt wird. Wenn ihr in der Klemme sitzt, erwacht endlich eine Fähigkeit in euch, die euch zum Überlegen bringt und Mittel findet, die euch heraushelfen... und es erwacht das Herz, wenn man eine Frau und Kinder hat, die man beschützen und denen man helfen muss.
Und da soll sich während des Essens das Herz entwickeln? Na so etwas... Und der Wille, so meint man, entwickle sich, wenn man körperliche Übungen, Sport usw. betreibt. Doch ich sage euch, alle die so argumentieren, haben noch gar nichts verstanden.
Gerade während der Mahlzeiten sollte man anfangen, sich um das Wesentliche zu kümmern, das heißt, Herz, Intellekt und Willen zu entwickeln. Ja, gerade beim Essen. Es ist nämlich nicht sicher, dass alle in Bibliotheken gehen oder Universitäten besuchen können, dass sie eine Frau und Kinder haben oder Gelegenheiten finden werden, sich großartig körperlich zu betätigen. Aber alle müssen essen.
Nun, seht her, ihr wollt euren Intellekt entwickeln? Gut, das könnt ihr jedes Mal tun, wenn ihr die Gegenstände, die auf dem Tisch liegen, benutzen wollt; versucht sie zu nehmen und wieder wegzulegen, ohne irgendwo anzustoßen und ohne etwas Danebenliegendes zu berühren. Dies ist eine gute Übung für die Aufmerksamkeit und das Vorausplanen. Wenn ich sehe, wie die Leute mit dem Besteck klirren oder es fallen lassen, sehe ich schon, dass es ihnen an Intelligenz mangelt. Sie mögen mehrere Universitätsdiplome besitzen, aber ich finde, dass sie noch große Wissenslücken haben. Ja, tatsächlich, denn wozu dienen Diplome, wenn man noch nicht einmal gelernt hat, die Entfernungen richtig abzuschätzen?
Wenn man z. B. ein Glas umstellen will, aber die Entfernung nicht richtig einschätzt und die anderen Gegenstände vor oder hinter ihm nicht beachtet – tick – schlägt man sie an. Dies ist nur eine Kleinigkeit, aber sie deutet auf einen Fehler hin, der sich einmal in viel größerem Ausmaß im Leben bemerkbar machen wird. Diese kleinen Ungeschicklichkeiten während der Mahlzeiten zeigen, dass manche im täglichen Leben viel Schaden anrichten werden.
Es sind Zeichen dafür, dass es an einer gewissen inneren Aufmerksamkeit mangelt, und man kann hier schon in kleinem Maßstab sehen, was solche Menschen später bei wichtigen Ereignissen des Daseins anrichten werden: Sie werden unachtsam sprechen und handeln, andere vor den Kopf stoßen und verletzen und nachher jahrelang ihre Dummheiten ausbaden und wiedergutmachen müssen.
Seht einmal, wenn ich diese Flasche, die aus dem Kühlschrank kommt, in die Hand nehme, muss ich, bevor ich sie anfasse bedenken, dass sie feucht ist, und dass sie, wenn ich sie nicht vorher abtrockne, ausrutschen und das Glas oder den Teller zerbrechen kann. Wenn ich sie anfasse und sicher sein will, dass sie mir nicht entgleiten wird, muss ich sie also abwischen. Genauso verhält es sich mit allen anderen Dingen – bei Tisch wie auch im Leben... Wenn ein Gegenstand eurem Blickfeld, eurem Bewusstsein entgleitet, seid ihr nicht mehr Herr über ihn und er gehorcht euch nicht länger.
Um einen Gegenstand zu beherrschen, müsst ihr ihn zuerst mit euren Gedanken beherrschen; wenn er euch entgleitet, werdet ihr nie Herrschaft über ihn erlangen können.
Bevor ihr euch zu Tisch setzt, sorgt auch dafür, dass nichts fehlt, damit ihr während der Mahlzeit nicht mehrmals aufstehen müsst, um ein Messer, einen Teller, das Salz... zu holen. Dies ist etwas, das ich schon oft beobachten konnte, wenn ich eingeladen war: Zwanzig Mal musste die Hausfrau aufstehen, da sie dies oder jenes vergessen hatte.
Jeden Tag wiederholt sich genau das Gleiche, also müsste man eigentlich wissen, was gebraucht wird; aber nein, man ist sich dessen nicht bewusst, und so geht es das ganze Leben lang weiter. Das ganze Leben vergisst man irgendetwas und muss die Mahlzeiten unterbrechen, um das zu holen, was man schon wieder einmal vergessen hat. Immer fehlt irgendetwas, und das ist ein Zeichen dafür, dass man in anderen Bereichen des Lebens ebenso unaufmerksam und nachlässig ist. Wie kann man dann glauben, dass man erfolgreich sein wird?
Wenn ihr euer Herz entwickeln wollt, versucht leise zu sein, damit die anderen nicht gestört werden, denn auch sie wollen sich beruhigen, sich konzentrieren und meditieren. Viele denken: »Was kümmern mich die anderen?« Ja, gerade weil man nicht an die anderen denkt, ist die ganze Welt in Gefahr. Die Menschen sind nicht imstande zusammenzuleben, weil keiner dem anderen Respekt oder Aufmerksamkeit entgegenbringt. Das gemeinsame Essen ist also eine wunderbare Gelegenheit, um sich zu entwickeln und sein Bewusstsein zu erweitern.
Der Mensch zeigt seinen Entwicklungsgrad durch sein Bewusstsein, einem Ganzen anzugehören, das größer ist als er, und durch sein Bemühen, die Harmonie nicht durch seine Aktivität, seine Gedanken, Gefühle und inneren Lärm zu stören. Ihr fragt: »Wieso, innerer Lärm?« Ja, Lärm ist das Ergebnis einer Dissonanz. Unsere Sorgen und unsere Empörung machen viel Krach in uns und stören deshalb die psychische Atmosphäre. Wer innerlich laut ist, weiß nicht, dass er sich selbst schadet, und dass sich dieser Lärm eines Tages in seinem Organismus in Form einer psychischen oder gar physischen Krankheit äußern wird.2
Denkt beim Essen daran, der Nahrung eure Liebe zu schenken, denn dann öffnet sie sich und gibt euch alle ihre Schätze. Nehmt die Blumen als Beispiel: Wenn sie von der Sonne beschienen und erwärmt werden, öffnen sie sich; wenn die Sonne untergeht, schließen sie sich. Und die Nahrung? Wenn ihr sie nicht mit eurer Liebe erwärmt, bleibt sie verschlossen und gibt euch fast nichts. Wenn ihr sie aber mit Liebe esst, dann öffnet sie sich, ihren Duft verströmend und gibt euch ihre ätherischen Teilchen. Ihr seid es gewohnt, rein mechanisch zu essen, ohne Liebe, nur um eine Leere zu füllen. Aber versucht, mit Liebe zu essen, und ihr werdet sehen, wie wunderbar ihr euch dann fühlt.
Ich weiß, dass es bei den meisten Menschen unnütz ist, von Liebe zu sprechen, sie wissen nicht, was Liebe ist: Mit Liebe grüßen, mit Liebe gehen, mit Liebe sprechen, mit Liebe schauen, mit Liebe atmen, mit Liebe arbeiten... das können sie nicht. Sie glauben, die Liebe sei ausschließlich im Bett zu finden. Nein, gerade da sieht man von Liebe oft nichts! Könnten sie wirklich richtig lieben, dann wäre der ganze Himmel mit ihnen.
Ihr könnt also bei den Mahlzeiten Intellekt, Herz und Willen entwickeln, denn ihr gewöhnt euch daran, eure Gesten zu kontrollieren, damit sie ausgewogen und harmonisch werden. Die Gesten fallen in den Bereich des Willens. An Tagen, an denen ihr euch nervös fühlt, betrachtet die Mahlzeiten als eine Gelegenheit, innere Beruhigung zu erlernen; kaut die Nahrung langsam, achtet auf eure Bewegungen, dann habt ihr nach einigen Minuten eure Ruhe wiedergefunden.
Es gibt sehr einfache Heilmittel gegen die Nervosität. Wenn ihr eine Arbeit hektisch beginnt, oder aufgeregt losredet und nichts dagegen tut, bleibt ihr den ganzen Tag nervös und vergeudet eure Energien, weil ihr vergessen habt, den »Wasserhahn« zuzudrehen. Besinnt euch eine Minute, sagt nichts, bewegt euch nicht... dann orientiert euch aufs Neue und versucht einen anderen Rhythmus zu finden.
Während der Mahlzeiten soll man Kontrolle und Selbstbeherrschung erlernen. Übt das richtige Essen und achtet auf eure Gesten, damit ihr absolut kein Geräusch verursacht. Ich weiß, ich verlange von euch fast das Unmögliche. Trotzdem wird es euch gelingen und alle, die hierher kommen, werden staunen und sagen: »Das ist doch wohl nicht möglich! Ich traue meinen Augen nicht!« Worauf ich antworten werde: »Nun, dann traut wenigstens euren Ohren!«
Wenn ihr in Ruhe und Frieden gegessen habt, werdet ihr diesen Zustand den ganzen Tag beibehalten. Selbst wenn ihr hin- und herrennen müsst, genügt eine Sekunde der Besinnung, um zu fühlen, dass der Frieden immer noch in euch ist. Dies, weil ihr richtig gegessen habt. Denn sonst könnt ihr machen, was ihr wollt, euch entspannen, versuchen ruhig zu sprechen – ihr bleibt aufgeregt, verwirrt und nervös.
In Zukunft wird die Ernährung als einer der existierenden Yoga gelten, obwohl er noch nie irgendwo erwähnt wurde. Alle anderen Yogas wie Radja-, Karma-, Hatha-, Jnana-, Kriya-, Agni-Yoga sind wunderbar, aber man braucht Jahre, um ein kleines Resultat zu erzielen. Während sich mit Hrani-Yoga* – so nenne ich ihn – die Ergebnisse schnell einstellen. Dies ist der einfachste und am leichtesten zugängliche Yoga. Er wird von allen Geschöpfen ohne Ausnahme – jedoch unbewusst – praktiziert. Die ganze Alchimie und Magie sind in diesem meist unbekannten und bis zum heutigen Tag am wenigsten verstandenen Yoga enthalten.
Deshalb dürft ihr euch, selbst wenn ihr durch alle möglichen Beschäftigungen überlastet seid, nicht hinter dem Vorwand verschanzen, keine Zeit für das spirituelle Leben zu haben. Mindestens dreimal am Tag habt ihr die besten Bedingungen, euch mit dem Himmel und mit Gott zu verbinden, denn dreimal am Tag müsst ihr essen. Alle sind gezwungen, Nahrung zu sich zu nehmen. Man mag keine Zeit zum Beten, Lesen oder Meditieren haben, einverstanden, aber trotzdem ist man gezwungen, der Ernährung wenigstens einige Minuten zu opfern. Warum nutzt ihr also diese Zeit nicht aus, um euch zu vervollkommnen, euch mit dem Herrn zu verbinden und Ihm Gedanken der Liebe und Dankbarkeit zu schenken?
In Zukunft sollen die Mahlzeiten für euch Gelegenheiten sein, die so unentbehrliche spirituelle Arbeit zu tun. Viele Leute glauben sich vollkommen, weil sie die Gesetze der Menschen beachten. Sie tun niemandem etwas zuleide und erfüllen sorgfältig ihre beruflichen und familiären Pflichten. Aber trotzdem bleibt ihnen die göttliche Welt verschlossen. Sie können diese Freude, das Glück, Fülle und Licht, die das göttliche Leben bringt, nicht empfinden. Sie glauben, die Vollkommenheit erreicht zu haben, ja, aber welche? Eine komische Vollkommenheit, in der man nie Zeit für die Seele und den Geist hat!
Gewiss, man muss arbeiten, um für seine Bedürfnisse aufzukommen und niemandem zur Last zu fallen, aber man muss trotzdem noch einige Minuten finden, um die Seele und den Geist zu nähren. Wir alle sind mit einer großen Aufgabe auf die Erde gekommen. Viele aber vergessen sie, denken lediglich an ihre gesellschaftlichen Erfolge und halten sich dabei auch noch für Vorbilder! Was sind das für Vorbilder? Von ihnen geht kein Licht aus, sie haben dem spirituellen Leben, ihrer Weiterentwicklung und Besserung keine einzige Minute gewidmet.
Ihr seid nur für sehr kurze Zeit auf der Erde, und wenn ihr sie wieder verlasst, könnt ihr eure Autos und Häuser nicht mit ins Jenseits nehmen. All das bleibt hier. Nur die innerlich erworbenen Güter bleiben euch erhalten. Das habt ihr aber noch nicht wirklich erfasst, und deshalb seid ihr unaufhörlich in materielle Aktivitäten verstrickt. Aber was nützt euch das? Wenn ihr die Erde verlasst, werdet ihr alles aufgeben und nackt, arm und jämmerlich davongehen müssen.
Ihr solltet wenigstens während der Mahlzeit eine spirituelle Arbeit ausführen. Auch wenn man nichts davon sieht, auch wenn niemand diese Dinge schätzt, macht euch an die Arbeit und sammelt Reichtümer, entwickelt die besten Eigenschaften in euch. In der nächsten Inkarnation wird euch der Himmel dann günstige Bedingen für eure Weiterentwicklung geben, weil ihr heute schon mit der wahren Arbeit begonnen habt. Dies ist ein Teil der göttlichen Wissenschaft, den ihr kennen solltet, denn selbst wenn diese Wissenschaft heute noch nicht akzeptiert ist, wird sie doch triumphieren, euch erleuchten, euch retten.
Anmerkungen
1. Siehe Band 229 der Reihe Izvor »Der Weg der Stille«, Kapitel 4: »Eine Übung: In Stille essen«.
2. Siehe Band 225 der Reihe Izvor »Harmonie und Gesundheit«, Kapitel 2: »Die Welt der Hamonie«.
Textauszug mit freundlicher Genehmigung des Prosveta Verlags